Konzept
Der Verein Q:WIR freut sich sehr, mit der Umsetzung des Projektes „Queeres Jugendzentrum Wien“ beauftragt worden zu sein. Hier könnt ihr Ausschnitte aus dem eingereichten Konzept lesen. Wichtig ist zu betonen, dass die konkrete Gestaltung der Räumlichkeiten und Angebote in enger Zusammenarbeit mit der Q:WIR Peergroup erarbeitet werden, die sich ab Sommer 2023 regelmäßig treffen soll.
Arbeitsprinzipien
Die Grundstruktur des Queeren Jugendzentrums deckt sich mit anderen Einrichtungen der Wiener offenen Kinder- und Jugendarbeit und lässt sich in folgende Arbeitsprinzipien gliedern:
Niederschwelligkeit
Die Angebote sollen allen Jugendlichen/jungen Erwachsenen offenstehen, die sich abseits der heteronormativen Dominanzgesellschaft verorten. Der Besuch des Queeren Jugendzentrums muss ohne Anmeldung möglich sein, eine Ausnahme davon sind geplante Aktionen, die aus klar formulierten Gründen eine vorherige Anmeldung erfordern. Um den Zugang zusätzlich zu erleichtern, ist es möglich, den Erstkontakt online herzustellen. Während der Öffnungszeiten können die anwesenden Mitarbeiter*innen mittels Chat (Website) angeschrieben oder mittels WhatsApp/Signal kontaktiert werden.
Lebensweltorientierung
Um Jugendliche/jungen Erwachsene dort abholen zu können, wo sie gerade stehen, muss eine akzeptierende Grundhaltung der Mitarbeiter*innen spürbar sein. Die Bedürfnisse der Nutzer*innen stehen im Mittelpunkt der Arbeit, das Queere Jugendzentrum orientiert sich klar an den Gegebenheiten und schafft Strukturen, die diesen gerecht werden. Wichtig dabei ist, dass die Jugendlichen/jungen Erwachsenen nicht auf ihr Queer-sein reduziert werden, sondern alle Aspekte ihrer Persönlichkeit zum Ausdruck gebracht werden können. Ehrliches Interesse an der Lebenswelt der Jugendlichen/jungen Erwachsenen ist dafür eine Grundvoraussetzung.
Freiwilligkeit
Das Queere Jugendzentrum ist ein Ort, an dem LGBTIQA* Jugendliche/junge Erwachsene Zuflucht finden, der Schutz vor Diskriminierung bietet und an dem neue Freund*innenschaften geknüpft werden können. Die Teilnahme an geplanten Aktivitäten beruht stehts auf Freiwilligkeit und ist keine Voraussetzung für den Besuch des Queeren Jugendzentrums.
Emanzipation
LGBTIQA* Jugendliche/junge Erwachsene sollen dabei unterstützt werden, sich selbst innerhalb bestehender Machtstrukturen und Ungleichheiten als Individuen zu sehen. Emanzipation soll dazu beitragen, Herrschaftsverhältnisse zu hinterfragen und Wege zu finden, sich in der Welt zurechtzufinden.
Partizipation
Gerade für vulnerable Gruppen ist das Prinzip der Selbstwirksamkeit eine wichtige Ressource. Die Jugendlichen/jungen Erwachsenen sollen aktiv in die Weiterentwicklung des Konzeptes miteinbezogen werden und durch Unterstützung der Mitarbeiter*innen eigene Ideen umsetzen können. Auch die Gestaltung der Räumlichkeiten und der Ausstattung soll partizipativ erfolgen, um zu gewährleisten, dass sich die Nutzer*innen wohlfühlen und das Queere Jugendzentrum als ihren eigenen Ort verstehen.
Sozialraumorientierung/Digitale Jugendarbeit
Nicht erst seit Beginn der Corona-Pandemie ist spürbar, dass das Leben von jungen Menschen zu einem Großteil online stattfindet. Um dieser Tatsache gerecht zu werden, ist ein professioneller Zugang zu online Kommunikationsmitteln eine wesentliche Aufgabe von moderner Sozialraumorientierung. Das Jugendzentrum benötigt jedenfalls eigene Kanäle auf Instagram, TikTok, WhatsApp/Signal und muss darauf bedacht sein, dieses Angebot stetig zu erweitern. Außerdem ist eine ansprechende und niederschwellige Website eine wichtige Voraussetzung, um mit Jugendlichen/jungen Erwachsenen in Kontakt zu kommen.
Intersektionalität
Das Queere Jugendzentrum ist ein Ort, an dem sensibel mit Mehrfachdiskriminierung umgegangen wird. Es werden gezielt Angebote gesetzt, die sich an mehrfach marginalisierte Jugendliche/junge Erwachsene richten, die Aufgrund von Herkunft, Religion, Behinderung, Hautfarbe oder sozioökonomischen Hintergrund erschwert Zugang finden.
Parteilichkeit
In der Kommunikation nach außen ist es eine wesentliche Aufgabe, die Bedürfnisse/Wünsche/Ängste von LGBTIQA* Jugendlichen/jungen Erwachsenen sichtbar zu machen. Im Sinne des dritten Mandats versteht sich Soziale Arbeit als Sprachrohr ihrer Zielgruppe und ist stets bestrebt, einen intensiven Austausch mit anderen Organisationen, Fördergeber*innen und Entscheidungsträger*innen zu gewährleisten.
Anonymität
Die Besucher*innen können die Angebote des Jugendzentrums anonym nutzen, eine Angabe von offiziellen Daten ist nicht vorgesehen. Außerdem ist stets darauf zu achten, dass die Jugendlichen/jungen Erwachsenen ihre bevorzugte Ansprache (Namen und Pronomen) frei wählen können und dies in der Arbeit mit ihnen Berücksichtigung findet.
Transparenz
Sanktionen gegenüber Besucher*innen und Änderungen bestehender Strukturen sollen durch Transparenz nachvollziehbar sein. Wichtig ist auch, dass das Maß an Mitbestimmungsmöglichkeiten klar kommuniziert wird und LGBTIQA* Jugendlichen/jungen Erwachsenen in einem vorgegebenen Rahmen agieren können.
Angebote
Offener Betrieb
Um dem großen Altersspektrum gerecht zu werden und auf die unterschiedlichen Bedürfnisse eingehen zu können, sind die Öffnungszeiten des Jugendzentrums in zwei Altersgruppen gestaffelt. Darüber hinaus soll es Angebote geben, die keinen spezifischen Altersbeschränkungen unterliegen, um so den Austausch zwischen jüngeren und älteren Besucher*innen zu ermöglichen. Das Jugendzentrum hat an fünf Tagen pro Woche geöffnet, die Gesamtstundenanzahl des offenen Betriebes beträgt 27 Stunden.
Beratung
Neben der niederschwelligen offenen Kinder- und Jugendarbeit soll es auch die Möglichkeit zur individuellen Beratung geben. Neben Fragen zu sexueller Orientierung und Geschlechtsidentität können von den Jugendlichen/jungen Erwachsenen, die das Jugendzentrum frequentieren, auch alle anderen Themen des täglichen Lebens mit den Mitarbeiter*innen besprochen werden. Insbesondere familiäre Problemstellungen, Streitigkeiten mit Freund*innen oder auch Fragen zu Ausbildung/Schule spielen im Leben vieler LGBTIQA* Jugendlicher/junger Erwachsener eine zentrale Rolle. Hier soll das sozialarbeiterische Know-How der Mitarbeiter*innen zum Einsatz kommen.
Vermittlungs- und Begleitungsangebote
Im Fall akuter Krisen, werden die Jugendlichen an die zuständigen Stellen der Stadt Wien vermittelt. In Ausnahmefällen kann dies auch durch Begleitung der Jugendlichen/jungen Erwachsenen zu den jeweiligen Einrichtungen (Wiener Kinder- und Jugendhilfe/Kriseninterventionszentrum/Notschlafstelle a_way/Wiener Kinder- und Jugendanwaltschaft etc.) ergänzt werden.
Elternarbeit
Gerade für LGBTIQA* Jugendliche kann Elternarbeit eine wichtige Rolle spielen. Wie bereits beschrieben, ist hierfür Freiwilligkeit eine Grundvoraussetzung. Das bedeutet, dass sowohl die Jugendlichen als auch die Eltern an dieser Form der Beratung interessiert sein müssen. Als Besonderheit kann hier hervorgehoben werden, dass Elternarbeit nicht in den Räumlichkeiten des Jugendzentrums stattfinden wird. Der wichtige Aspekt des „Safer Space“ findet hier eine besondere Bedeutung. Elternarbeit wird ausschließlich in den Räumlichkeiten der Familienberatungsstelle Regenbogenfamilienzentrum stattfinden und nur dann zum Einsatz kommen, wenn die Jugendlichen selbst Nutzer*innen des Jugendzentrums sind. Finanziert wird dieses Angebot aus Mitteln des Bundeskanzleramtes, Sektion VI, Familie und Jugend.
Vernetzung
Die Vernetzung mit anderen Einrichtungen der offenen Kinder- und Jugendarbeit und diversen LGBTIQA* Vereinen, sowie die Teilnahme an Vernetzungstreffen auf Bezirks- und Stadtebene, gewährleisten den wichtigen Austausch mit Multiplikator*innen. Regelmäßige Treffen und gute Kommunikation mit den Fördergeber*innen und Entscheidungsträger*innen sollen dazu beitragen, dass die Stadt Wien ein sicherer Ort für LGBTIQA* Jugendliche/junge Erwachsene ist. Auch die Zusammenarbeit mit anderen einschlägigen Projekten der Stadt Wien, wie zum Beispiel dem im Aufbau befindlichen Projekt zum Thema „queere Lebenswelten“ der Wiener Kinder- und Jugendhilfe, sehen wir als wichtigen Teil unserer zukünftigen Arbeit.“